Neulich hat mir ein Bekannter von einem Kaderanlass einer grossen Schweizer Firma erzählt. Besonders beeindruckte ihn die Aussagen des Konzernchefs, der darauf hinwies, dass es die Hauptaufgabe einer Führungskraft sei, sich mit den Leuten auseinander zu setzen, und zwar tagtäglich immer wieder. Mein Bekannter meinte dann, das würde jetzt vielleicht banal tönen, aber ihn hätte das enorm beeindruckt, eine so bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Führung hätte er in anderen Firmen kaum erlebt.
Ist eine solche Aussage nun wirklich banal oder trifft sie den Kern der Führungsaufgabe? Ich würde letzterem zustimmen, denn ist es wenn nicht sogar die edelste, dann sicherlich eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft, sich jeden Tag auf’s neue mit den Mitarbeitenden auszutauschen, in Beziehung zu treten? Nicht im kontrollierenden KKK Stil (kommandieren, kontrollieren, korrigieren), sondern in der echten Auseinandersetzung über die Ziele und die Inhalte der Tätigkeit zum Wohlergehen der Unternehmung und im Einklang mit dem Wohl der Mitarbeitenden, welche mit ihrem Tun und Wirken zum Erfolg beitragen.
Viele Firmen versuchen diesen Aspekt der Führung auch in der Führungskräfteentwicklung zu adressieren, indem sie explizit Themen wie Kommunikation und Konfliktmanagement, Sitzungsgestaltung, Ziele vorgeben etc. in die Module der Ausbildung einbauen. Wie aber kann der Lerntransfer dieser „weichen“ Themen in den Arbeitsalltag gewährleistet und auf den spezifischen Führungsalltag übertragen werden? Denn gerade der Lerntransfer ist eine der grössten Herausforderungen in jeder Führungskräfteausbildung.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten und entsprechende Lernformen, wie dieser Herausforderung begegnet werden kann. Eine der gängigsten und auch am einfachsten in die Module einzubauende ist sicherlich das praktische Üben anhand von Rollenspielen mit Praxisfällen, die auf das Thema Bezug nehmen. Aber selbst wenn bei klugem Design sehr realistische Übungsfälle gestaltet werden können, bleibt es letztlich nur eine Simulation der konkreten Führungsrealität.
Näher an die konkrete Führungsrealität kommt die Methode des Kollegialen Coachings. Die Teilnehmenden agieren unter Anleitung eines Moderators in einem strukturierten Prozess als Coach für die anderen Teilnehmenden. Jeder bekommt die Möglichkeit, seine eigenen Herausforderungen in der Führung einzubringen, die dann von den anderen Teilnehmern gespiegelt werden. Anhand ihrer Einschätzungen und Sichtweisen kann dann einen Lösungsweg oder eine Handlungsalternative entworfen werden. Letztlich bleiben aber die eigentlichen Akteure, bei denen es im Führungsprozess geht, nämlich die Mitarbeitenden, mit ihren Wahrnehmungen und konkreten Ansichten aussen vor, es kommt zu keiner direkten Interaktion. Aber genau in dieser Interaktion zwischen dem Vorgesetzten und den Mitarbeitenden spielt sich die Führungsrealität ab.
Lerntransfer bleibt also eine Herausforderung in jeder Führungskräfteentwicklung zumal zurück in der Realität der operativen Führung nicht selten gut gemeinte Vorsätze im Arbeitsalltag untergehen.
Wie kann dem entgegengewirkt werden? Gibt es noch andere Plattformen im Rahmen der Führungskräfteentwicklung, welche dem Anspruch an unmittelbarem Praxistransfer gerecht werden?
Eine Möglichkeit könnte der Boxenstopp für Führungskräfte sein, eine Plattform für Teams um zusammen mit ihrem Vorgesetzten die gemeinsame Führungsrealität zu reflektieren.
In vielen Unternehmen liegt der Fokus in den Entwicklungsaktivitäten noch immer stark auf den klassischen „off-the-job“ Massnahmen in Form von Trainings. Untersuchungen zeigen jedoch, dass eine Kombination von verschiedenen Lernansätzen – „off-the-job“, „along-the-job“ und vor allem auch „on-the-job“ — am meisten Erfolg zeigt. Deshalb ist es bedeutsam in der Führungskräfteentwicklung auch Instrumente aus den beiden anderen Kategorien miteinzubeziehen, vor allem um den unmittelbaren Lerntransfer in den Arbeitsalltag sicherstellen zu können.
Der Boxenstopp für Führungskräfte, welcher zu den „along the job“ Massnahmen gezählt wird, ist eine mögliche Ergänzung zu den herkömmlichen Instrumenten. Der Boxenstopp ist eine Plattform für Teams, um zusammen mit dem Vorgesetzten die gemeinsame Führungsrealität zu reflektieren im Sinne einer Standortbestimmung. Der Boxenstopp ist indiziert für Führungskräfte, welche die Teamführung neu übernommen haben, und stellt gerade in dieser Situation eine ideale Massnahme dar, da durch das Feedback vom Team Sicherheit in der konkreten Führungssituation erlangt oder nötige Anpassungen vorgenommen werden können
Der Boxenstopp ist ein sehr zeiteffizientes, kostengünstiges und ressourcenschonendes Instrument, das aus 3 Phasen besteht:
Phase I
- In dieser Phase, die ca. 1 ½ Stunden dauert, wird mit dem Team eine Einschätzungen zur Führung und zum Führungsstil des bzw. der Vorgesetzten erarbeitet sowie offene Fragen gesammelt.
Phase II
- In dieser Phase steht die Vorbereitung mit dem Vorgesetzten auf die anschliessende Diskussion mit dem Team im Vordergrund. In dieser ca. 1 ½ stündigen Coachingsession werden die gesammelten Inputs des Team zusammengetragen, an der Einschätzung des Vorgesetzten gespiegelt und die Diskussion für die dritte Phase vorbereitet.
Phase III
- In der letzten und abschliessenden Phase, geht es um die Zusammenführung der Erkenntnisse. Der Vorgesetzte nimmt Stellung zu den offenen Fragen und gemeinsam werden von Team und Vorgesetztem Massnahmen getroffen wie die zukünftige Zusammenarbeit gestaltet werden soll.

Dank dem Austausch ausserhalb des konkreten Tagesgeschäfts erfährt der Vorgesetzte in kurzer Zeit, was die Mitarbeitenden bewegt, auf welchen Stärken aufzubauen ist und wo dringlicher Handlungsbedarf besteht. Der Weg zum effizienten Team wird dadurch beschleunigt, der Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt.
Eine achtsame und neutrale Moderation durch den gesamten Prozess ist unabdingbar. Der bzw. die ModeratorIn muss in verschiedene Rollen schlüpfen können als Teamentwickler, Coach und Prozessbegleiter.
Durch den konkreten Bezug zum Führungsalltag kann der Vorgesetzte seinen Führungsstil in der konkreten Situation weiterentwickeln. Voraussetzung für das Gelingen des Boxenstopps ist jedoch eine Unternehmenskultur, in der Offenheit, Wertschätzung und Feedback gefördert werden und die nach kontinuierlicher Verbesserung strebt. Eine Unternehmenskultur also, die sich dem Credo einer echten Lernkultur verpflichtet.