Zum Jah­res­en­de nahm ich mir vor, auf­zu­räu­men. Und zwar meine Unter­la­gen zu wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en, Fach­ar­ti­keln und Wei­ter­bil­dun­gen, von denen ich auch eini­ge in der vor-digi­ta­len Zeit noch auf Papier gesam­melt hatte.

Dabei stiess ich auf eine Wei­ter­bil­dung zum Thema Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen («Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen – Abschied vom Mythos des Zwei­er­set­tings?»), die ich als junge Psy­cho­lo­gin am Insti­tut für Psy­cho­lo­gie besucht hatte. Mit gros­sem Inter­es­se las ich die Unter­la­gen, die mehr­heit­lich aus mei­nen hand­ge­schrie­be­nen Noti­zen bestanden.

So stand dort unter dem Stich­wort «Kon­text» folgendes:

  • Gross­be­zug Welt bzw. gesell­schaft­li­cher Bezug: Gespreng­te Gren­zen, unbe­schränk­te Mög­lich­kei­ten und erhöh­te Mobilität
  • Arbeits­welt­be­zug: Tech­no­lo­gie­wan­del, Ent­wick­lun­gen in der Arbeits­welt, Ver­lust des grad­li­ni­gen Lebenslaufs
  • Lebens­welt­be­zug: Ver­än­der­te Lebens­for­men, auf­ge­weich­te Norm­bio­gra­fien, Indi­vi­dua­li­tät und Selbst­ver­ständ­nis, Sinn­be­stim­mung im eige­nen Leben

Als Fazit folg­te: «Lauf­bahn­schrit­te wer­den ver­mehrt ent­we­der aus eige­ner Initia­ti­ve getä­tigt oder auf Druck von aus­sen auf­grund ver­än­der­ter Rah­men­be­din­gun­gen und weg­ge­fal­le­nen Norm­vor­stel­lun­gen. Redu­zier­te Plan­bar­keit auf­grund schnel­ler Entwicklungen.»

Die Wei­ter­bil­dung besuch­te ich vor Jah­ren, aber die damals getä­tig­ten Aus­sa­gen sind aktu­el­ler denn je, ange­sichts der tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen und den Ver­än­de­run­gen in der Arbeits­welt (KI, agi­les Arbei­ten, Sinn­fra­gen etc.).

Sicher­lich ken­nen die meis­ten For­men von Berufs- oder Lauf­bahn­be­ra­tun­gen. Beim Berufs­ein­stieg in der klas­si­schen Form beim Berufs­be­ra­ter, oder auch im spä­te­ren Leben bei der Rich­tungs­än­de­rung oder Brü­chen in der Lauf­bahn; Lauf­bahn­coaching, Out­pla­ce­ment, Stand­ort­be­stim­mung sind For­ma­te, in denen in der Regel im Ein­zel­set­ting die Fra­gen nach dem «was kann ich, was will ich, wie komme ich dahin» bear­bei­tet werden.

Jeder Lebens­lauf und jede Fra­ge­stel­lung ist indi­vi­du­ell, wes­halb also diese The­men mit mög­li­cher­wei­se wild­frem­den Menschen bespre­chen? Weil das Prin­zip der Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen ähn­lich dem Prin­zip der kol­le­gia­len Bera­tung funk­tio­niert. Wir alle haben Exper­ti­se im Thema Lauf­bahn­ent­wick­lun­gen, da wir selbst auch mit den ent­spre­chen­den The­men gerun­gen, Dinge aus­pro­biert, Erkennt­nis­se gesam­melt und kon­kre­te Schrit­te unter­nom­men haben. Somit fun­giert jeder Teil­neh­men­de im Grup­pen­set­ting auch als bera­ten­de Per­son und bringt den eige­nen Erfah­rungs­reich­tum ein. Dadurch erwei­tern sich die eige­nen Mög­lich­kei­ten durch den Input ver­schie­de­ner Per­spek­ti­ven, geprägt von unter­schied­li­chen Lebens­ent­wür­fen und Lebens­läu­fen. Die Teil­neh­men­den kön­nen sich in der Grup­pe mit ihren Lebens­zie­len, Inter­es­sen, Kom­pe­ten­zen und zen­tra­len Lebens­the­men aus­ein­an­der­set­zen, spie­geln sich gegen­sei­tig, geben sich Feed­back und ver­wei­sen somit mög­li­cher­wei­se auf bis­lang unent­deck­tes und unaus­ge­schöpf­tes Potenzial.

Die gemein­sa­me Erar­bei­tung zen­tra­ler Aspek­te wie Inter­es­sen, Eigen­schaf­ten und Wert­hal­tun­gen kann zu neuen Ein­sich­ten füh­ren. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit den The­men in der Grup­pe ermög­licht es, die eige­ne Situa­ti­on aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln zu betrach­ten und bis­her Unbe­ach­te­tes zu entdecken.

Die Teil­neh­men­den pro­fi­tie­ren vom Aus­tausch unter­ein­an­der, ler­nen von­ein­an­der und unter­stüt­zen sich gegen­sei­tig bei Her­aus­for­de­run­gen. Sie erhal­ten Tipps und erhal­ten Zugang zu einem erwei­ter­ten Netz­werk, was in der kon­kre­ten Umset­zung berei­chernd sein kann. Und nicht zuletzt kann die Grup­pe moti­vie­rend wir­ken und die gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung för­dernd sein, um Vor­sät­ze in die Tat umzu­set­zen und erste Schrit­te zu machen.

Die The­men sind in allen For­men der Lauf­bahn­be­ra­tung die gleichen:

Wo stehe ich jetzt?

Diese Frage dient der genau­en Stand­ort­be­stim­mung. Dabei ste­hen fol­gen­de Fra­gen im Zen­trum: Was für eine Per­sön­lich­keit bin ich, was ist mir wich­tig? Was für Kom­pe­ten­zen, Erfah­run­gen und Fähig­kei­ten brin­ge ich mit? In die­sem Schritt wer­den auch die per­sön­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen analysiert.

Was will ich erreichen?

Hier ste­hen die Ziele, Wün­sche und Visio­nen für die beruf­li­che Zukunft im Fokus. Per­sön­li­che Werte, Inter­es­sen und Moti­ve wer­den erkun­det, um eine klare Rich­tung für die wei­te­re Kar­rie­re­ge­stal­tung zu fin­den. Die Fra­gen, die im Vor­der­grund ste­hen sind: In wel­chem Umfeld möch­te ich tätig sein? Was möch­te ich tun? Wohin möch­te ich mich entwickeln?

Wie komme ich dorthin?

Die­ser Schritt wid­met sich der prak­ti­schen Umset­zung der Ziele. Es wer­den Stra­te­gien ent­wi­ckelt, Optio­nen wie Wei­ter­bil­dun­gen oder Berufs­wech­sel geprüft und kon­kre­te Mass­nah­men für die nächs­ten Schrit­te defi­niert. Die Frage hier lau­tet: Wie kann ich meine Vor­stel­lun­gen kon­kret umsetzen?

Der Vor­teil einer Lauf­bahn­be­ra­tung in der Grup­pe ist der berei­chern­de Aus­tausch und die viel­fäl­ti­gen Per­spek­ti­ven, die in der Grup­pe ent­ste­hen. Die Teil­neh­men­den pro­fi­tie­ren von den Erfah­run­gen, Ideen und Sicht­wei­sen der ande­ren, was zu neuen Erkennt­nis­sen und Lösungs­an­sät­zen füh­ren kann.

Grup­pen­be­ra­tun­gen ist zudem eine kos­ten­güns­ti­ge­re Alter­na­ti­ve zu Ein­zel­be­ra­tun­gen, behan­delt jedoch die glei­chen The­men und führt zu den glei­chen Ein­sich­ten, ein­fach im Rah­men einer ande­ren Erfah­rung. Sie eig­net sich auch für den Ein­satz in Fir­men in einer spe­zi­fi­schen Grup­pe, zum Bei­spiel als Instru­ment im Talent Manage­ment. Die Inhal­te wer­den dann spe­zi­fisch auf die Orga­ni­sa­ti­on und die spe­zi­fi­schen Ziele angepasst.

Als Fazit kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass die Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen eine effek­ti­ve, viel­sei­ti­ge und berei­chern­de Metho­de zur För­de­rung der beruf­li­chen Ent­wick­lung ist.

Das Jah­res­en­de steht für Abschlies­sen (und Auf­räu­men), der Jah­res­an­fang für Neu­be­ginn, eine gute Zeit für eine Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen, denn noch immer stimmt die Aus­sa­ge aus der Jahre zurück­lie­gen­den Wei­ter­bil­dung: «Lauf­bahn­be­ra­tung in Grup­pen eig­net sich vor allem für beruf­li­che Stand­rot­be­stim­mun­gen und Neuorientierungen.»

PS: Und wer jetzt noch gerne wis­sen möch­te, wann die Wei­ter­bil­dung statt­ge­fun­den hat: Es war im letz­ten Jahr­tau­send, im Jahr 1996 😉

Febru­ar 2025